Warum sind mehrere Algorithmen im Spiel? Und noch besser: Warum sind sie alle schuld?

Der wahre Grund, warum es so viele Algorithmen gibt, ist einfach: weil sie funktionieren! Diese 10 Methoden wurden getestet und können dir helfen, den Algorithmus zu besiegen. Nutze sie täglich und mache sie dir zunutze – du wirst sehen, dass es ganz einfach ist!”

So oder ähnliches lese ich einfach zu oft: Du musst wissen wie der Algorithmus funktioniert! Das ist der ultimative Tipp! Hier sind 3, 5, 99 Dinge die Du wissen musst und tun sollst. Das Problem: entweder erzählen es dir Menschen die aufgrund von ihrem Aussehen sowieso eine grosse Reichweite haben (dazu später mehr), oder es sind Berater:Innen und Expert:Innen die ein paar Mal Glück hatten aber dieselbe Einzelmaske lässt sich kaum auf dein langweiliges B2B Produkt oder deine Nischen-Dienstleistung anwenden.

Mal von vorne: Algorithmen sind menschlich

Ja wirklich und richtig gelesen. Algorithmen werden (noch) zum grossen Teil von Menschen entwickelt. Dabei ist wichtig zu verstehen, was ist ein Algorithmus eigentlich?

Oder wie es Dr. Datenschutz online erklärt:

Allgemein gesagt, gibt ein Algorithmus eine Vorgehensweise vor, um ein Problem zu lösen. Anhand dieses Lösungsplans werden in Einzelschritten Eingabedaten in Ausgabedaten umgewandelt. Besonders in der Informatik spielen Algorithmen eine große Rolle.

Algorithmen sind also logische Abläufe, also Makro-Programme die etwas bewegen und umwandeln möchten. Vereinfacht gesagt: es übernimmt die Hand- und Rechenarbeit für Menschen analog einem Kochrezept: Du hast, Du nimmst, du machst und das ergibt dann…

Algorithmen besitzen dabei so etwas wie Eigenschaften (nicht abschliessend) die helfen sollen, dass diese Programme auch funktionieren:

  1. Eindeutig/zielorientiert:ein Algorithmus muss eine eindeutiges Ziel und damit Beschreibung haben.
  2. Ausführbar/logisch:jeder Einzelschritt muss einzeln ausführbar und logisch nachvollziehbar sein.
  3. Endlich/stringent:Ein Algorithmus hat ein Anfang und ein Ende.
  4. Final/ergebnisorientiert:nach x-y-z vielen Schritten muss der Algorithmus enden und ein Ergebnis wird geliefert.
  5. Gleichheit/beständig:der Algorithmus liefert bei selbigen Input denselben Output.

Zwei Personen sind wichtig wenn es um Algorithmen geht — etwas Geschichte

Das Wort Algorithmus ist eine lateinisierte Abwandlung des Namens des persischen Astronomen und Rechenmeisters Muhammad al-Chwarizmi („Algorismi“). Er hatte im 9. Jahrhundert n. Chr. gelebt ud war ein Gelehrter Mathematiker und Astronom. Seine Schrift „Über die indischen Ziffern“, das vier Jahrhunderte später ins Lateinische übersetzt wurde, gilt als die wichtigste Quelle des indisch-arabischen Zahlensystems und des schriftlichen Rechnens und er war der erste, welcher logische Abfolgen präsentierte um wiederkehrende Muster zu systematisieren und verarbeiten. Sein Name war also der Namensgeber — auch wenn ihn heute kaum jemand mehr kennt.

Dann gibt es Ada Lovelace: sie war es die 1843 als erste Person einen für einen Computer gedachten Algorithmus erstellte. Sie war britische Mathematikerinund Gesellschaftsdame, die Tochter des Dichters Lord Byron. Moment, DER Lord Byron? Ja genau, er war der, welcher Don Juan geschrieben hat — manche sagen eine Autobiografie, aber wer es genau wissen will, nun geh mal auf Wikipedia aber sei gewarnt.

Nun gut, Ada Lovelace arbeitete mit Charles Babbage an der so genannten Analytical Engine. Diese Analytical Engine wurde niemals fertig gestellt, aber Ada Lovelace erkannte das grosse Potential dahinter.

Die Analytical Engine Verwendung als Maschine zur Berechnung mathematischer Tafeln Die Erkenntnis, dass die Maschine mehr als nur Zahlen verarbeiten könnte, war bahnbrechend, dies wurde ihr, Ada Lovelace, jedoch zu der Lebzeit nicht anerkannt.

Was haben Algorithmen mit Social Media zu tun?

Die weit verbreitete Meinung ist “Algorithmen entscheiden, was wir auf Social-Media-Plattformen sehen und was nicht. Diese Plattformen beziehen unter anderem Likes und Kommentare und nutzen diese als Bewertung, welche Inhalte Userinnen und Usern angezeigt werden.”

Das ist insoweit richtig, aber auch nicht ganz — denn die Sache ist komplexer. Es gibt nämlich nicht nur einen Algorithmus. Schon gemerkt? Im Zwischentitel schrieb ich: “was haben Algorithmen” — Mehrzahl, was für ein Fuchs — nun es sind eben mehrere Programme die hier am analysieren, koordinieren und distribuieren sind.

Was also stimmt: Welche Inhalte, die dir auf Social Media Plattformen angezeigt werden, werden nicht von Menschen entschieden, sondern von Programmen aka. Algorithmen. Diese analysieren anhand gesammelter Daten, was du auf LinkedIn, TikTok, Facebook, Instagram etc. sehen sollst und was nicht.

Die sozialen Netzwerke geben immer wieder Mini Häppchen an Informationen preis, welche Faktoren mehr oder weniger Einfluss auf diese Algorithmen haben. Beispielsweise teilen Tiktok und Facebook mit, dass Interaktion eine Rolle spielt: Wenn man einem Post einen Like gibt oder einen Beitrag kommentiert, hat das Auswirkungen darauf, welche Art von Inhalten künftig in deinem Feed auftauchen. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit.

Denn es ist es wichtig zu wissen, dass Algorithmen nicht von einfachen Programmierer:Innen entwickelt werden. Hinter den Programmierer:Innen stecken Konzerne mit einem Geschäftsmodell. Dieses Geschäftsmodell heisst: Aufmerksamkeit gegen Zeit. Oder einfach: Du siehst etwas und dazu gehört auch Werbung. Hast du schon einmal bemerkt, dass du teilweise lange keine Beiträge mehr von einer Freundin oder einer Firma siehst? Das ist mit Absicht so. Die Algorithmen testen nämlich bewusst den Entzug und auch das pushen von Inhalten, damit Du neugierig und getriggert bleibst. Dopamin spielt hier eine grössere Rolle als jedes Bildformat.

Dopamin dient dem Gehirn als Kommunikationsstoff der Nervenzellen, ist also ein Hormon (Neurotransmitter). In bestimmten „Schaltkreisen“ vermittelt es dabei positive Gefühlserlebnisse (mit einem „Belohnungseffekt“). Darum wollen wir auch immer mehr davon.

Wenn man also beachtet, dass Algorithmen nichts anderes versuchen, als unser Verhalten zu analysieren, zu imitieren und zu reproduzieren, so erkennt man schnell, dass wir hier mit einigen biologischen Komponenten arbeiten. Einfach, aus dem Grund, weil das Verhalten des Menschens widergespiegelt werden soll durch den Algorithmus damit wir uns wohl fühlen und noch mehr Zeit auf Social Media verbringen. Denn der Mensch ist vor allem eines: ein Gewohnheitstier. Das heisst, sobald der Algorithmus eine Gewohnheit ermittelt hat, kann er anfangen, uns entsprechende Inhalte, Themen oder Informationen so zuzuspielen, dass es für uns äusserst bequem und attraktiv scheint.

Algorithmen führen zu Bestätigungsfehlern

Algorithmen sind also gefüttert durch menschliches Verhalten. Das erklärt, warum beispielsweise Selfies von schönen Menschen oder auch emotionale Beiträge besser funktionieren: sie triggern. Das heisst aber auch, jede (Inter-)Aktion führt zu einer Verstärkung des Ganzen. Und das kann Menschen manchmal in die Irre führen.

Ja wirklich, zahlreiche Studien bestätigen zum Beispiel diese Studie der Universität Basel:

Bestimmte Merkmale wie ein grosser Augenabstand, eine grosse Augenbrauenhöhe oder ein dicke Unterlippe sind es nur bei Frauen. Frauen negativ bewertet wird. Symmetrische Gesichter werden als attraktiver bewertet als weniger symmetrische.

Gesichts- und Körperbau konnte auch beim Menschen nachgewiesen werden. Männer mit hoher Symmetrie wurden in Versuchen besser bewertet und besonders symmetrische waren auch die beliebteren Sexualpartner als die weniger symmetrischen.

Es soll heissen: wer als “schön” angesehen wird, mit dem umgibt man sich auch gerne und gleichzeitig schenkt man diesen Menschen auch mehr “Glaubwürdigkeit”.

Denn hier geschieht etwas spannendes, was Menschen auch oft haben wenn sie sagen “Google hört mir zu, ich habe gegoogelt und nun sehe ich Werbung dazu”. Was hier aber wirklich passiert nennt man eine “kognitive Verzerrung” oder auch “Bestätigungsfehler”.

Der Begriff Bestätigungsfehler, Bestätigungs-Irrtum, Bestätigungstendenz (auf Englisch “confirmation bias”) bezeichnet in der Psychologie die Neigung von Menschen, Informationen so auszuwählen, zu suchen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen bestätigen.

Diesen Bestätigungsfehler sieht man auch dann, wenn ein “schöner” Post bereits viele Likes und Kommentare hat, dann zieht dieser nämlich noch mehr solche Likes an. Der Mensch, ein Herdentier? Nun ja, soziale Akzeptanz war schon immer ein Überlebensfaktor. Wir wollen zu den Gewinner:Innen gehören, denn das sichert und Schutz, Nahrung und dass wir überleben in dem wir gleichgesinnte finden und uns mit denen (auf die eine oder andere Weise) zusammentun.

Zwischenabschnitt: Wie funktioniert der LinkedIn Algorithmus?

Da dich so tapfer geschlagen hast, hier ein kleines Zuckerl von wegen wie der LinkedIn Algorithmus funktioniert. Wichtig: das hier ist MEINE Interpretation und wer will, darf gerne googlen “wie funktioniert der LinkedIn Algorithmus” — es sind 153’000 Resultate. Viel Spass.

Wichtig: wie bei jedem Social Medium so sollen auch die LinkedIn-Algorithmen das Netzwerk reizvoller machen und damit mehr User:Innen zum Zeitvertreib animieren. Auf den zahlreichen englischsprachigen „LinkedIn Engineering“-Serviceseiten erscheinen immer wieder etliche Artikel über die Aktualisierungen des Algorithmus dazu gehören:

The LinkedIn feed relevance system includes multiple sources called First Pass Rankers (FPRs) that create a preliminary ranking of their inventories based on predicted relevance to the feed viewer. Examples of FPRs are jobs recommendations, news article recommendations, updates or shares from your connections, recommendations for new connections (PYMK), and sponsored updates (SUs). The FPRs score their respective inventory of updates with respect to the viewer, and output the top-k updates to the Second Pass Ranker (SPR) that combines the output of all FPRs and creates a single personalized ranked list. After the second pass ranking, the ranked list is passed to the reranker stage that modifies the output of the SPR and creates the final feed that is sent to the appropriate front-end.

Wer den Text hier liest, weiss eigentlich Bescheid, übersetzt heisst es:

  1. Das LinkedIn-Feed-Relevanzsystem umfasst mehrere Quellen die als First Pass Rankers (FPRs) bezeichnet werden und eine vorläufige Rangliste ihrer Bestände auf der Grundlage der vorhergesagten Relevanz für den Feed-Betrachter erstellen.
  2. Beispiele für FPRs sind Job-Empfehlungen, Empfehlungen für Nachrichtenartikel, Updates oder Freigaben von Ihren Verbindungen, Empfehlungen für neue Verbindungen (PYMK) und gesponserte Updates (SUs).
  3. Die FPRs bewerten ihren jeweiligen Bestand an Aktualisierungen im Hinblick auf den Betrachter und geben die Top-k-Aktualisierungen an den Second Pass Ranker (SPR) aus, der die Ergebnisse aller FPRs kombiniert und eine einzige personalisierte Rangliste erstellt.
  4. Nach dem Second-Pass-Ranking wird die Rangliste an die Reranker-Stufe weitergeleitet,die die Ausgabe des SPR ändert und den endgültigen Feed erstellt, der an das entsprechende Frontend gesendet wird.

So oder so: hier ist meine Darstellung. Bei Fragen, nutze bitte die Kommentarfunktion, danke!